Intro

Aktuell liest man viel zum Thema Wi-Fi 7 bzw. 802.11be. Einen Link zu dem Thema 802.11be habe ich hinterlegt, einen Link zum Thema Wi-Fi 7 habe ich nicht hinterlegt.

Warum? Weil es noch kein Wi-Fi 7 gibt, auf der kompletten Webseite der Wi-Fi Alliance lässt sich kein Beitrag zum Thema Wi-Fi 7 finden.

Wi-Fi CERTIFIED 6™

Dies ist die aktuell offizielle Zertifizierung. 

Hinzu kommt zum Thema 6GHz, Wi-Fi 6E, als Erweiterung.

802.11be

Mit 802.11be arbeitet die IEEE Task Group TGbe an einem Nachfolger für 802.11ax. Dieser wird vermutlich durch die Wi-Fi Alliance die Zertifizierung Wi-Fi 7 erhalten. Allerdings befindet sich diese Task Group noch sehr weit am Anfang. Metka Dragos, CWNE#23, hat auf der WLPC 2022 eine sehr interessante Präsentation zu dem Thema 802.11be gehalten.

Folgendes Bild stammt aus Ihrer Präsentation und lässt erkennen, wie weit wir noch von 802.11be entfernt sind.

Zeitplan für die Veröffentlichung von 802.11be - von Arista
Zeitplan für die Veröffentlichung von 802.11be - von Arista

Der Zeitplan wird gleich zu Beginn der Präsentation erläutert, Sekunde 285. Folgende Aussage ist hierbei wichtig:

Eine Ratifizierung für das Jahr 2024/2025 ist ein äußerst ehrgeiziges Ziel. Was nicht bedeutet, dass Hardware erst ab dieser Ratifizierung produziert werden kann. Mit einer Ratifizierung gilt der Standard als abgeschlossen. Es gibt aber auch Änderungen, die Hardwarehersteller durch Software Anpassungen vornehmen können.

Deutlich interessanter ist häufig die Wi-Fi Zertifizierung, da diese eine Interoperabilität sicherstellt und vom 802.11 Standard abweichen kann. Diese habe ich auf einem Slide für Nov. 2023 gesehen.

Auch wird es ähnlich wie bei 802.11ac (wave 1 & wave 2) zwei Releases geben. Die unterschiedlichen Features sind auf der Timeline sehr gut erkennbar.

802.11be / Wi-Fi 7 Features

Nach dem wir uns ausgiebig über den Zeitplan informiert haben, ist es Zeit für die Features.

Hier gibt es wie bei vorherigen Standards auch, zwei Arten von Features.

Evolution, Features die verbessert wurden.

Revolutionen, Features die neu sind und so vorher im WLAN noch nicht vorkam.

Wir werden auf einige Features eingehen, aber nicht auf alles. Auch ist es so, wenn man sich etwas mit dem Thema beschäftigt, es gibt noch unterschiedliche Synonyme für die Features. Dies liegt daran, dass es noch viel Bewegung in der Work Group gibt und geben wird.

Evolution Features

Fangen wir mit den Evolutionen an. Das einfachste zu erst, Wi-Fi6 erlaubt uns 160MHz breite Kanäle zu nutzen. 802.11be unterstützt bis zu 320 MHz breite Kanäle. Welche Kanalbandbreite sollten wir heute nutzen?

Meistens sollten 20 MHz breite Kanäle genutzt werden, teilweise sind 40 MHz möglich. Im 6 GHz Band sieht es dort etwas anders aus, aber hauptsächlich außerhalb der EU. Innerhalb der EU haben wir 480 MHz zur verfügung. In den USA und Kanada sind es 1.200 MHz.

Nicht nur die mögliche Kanalbreite wird erweitert, auch sind zukünftig anstelle von 8 bis zu 16 spatial streams möglich.

QAM-1024 kam mit Wi-Fi 6 hinzu und soll nun auf 4096-QAM erweitert werden.

Revolution Features

Bei den revolutionären Features wird es interessant. Allerdings sollte man immer berücksichtige, dass bis heute nicht alle 802.11ax / Wi-Fi 6 Features genutzt werden.

Multi-Link Operation

Dies ist eines der Features, dass sich am einfachsten verstehen lässt. Es ist in unterschiedliche Bereiche aufgeteilt und kann drei Vorteile bewirken:

  • höhere Geschwindigkeit
  • höhere Zuverlässigkeit
  • niedrigere Antwortszeiten

Je nach eingesetztem Modus kann eines oder mehrere dieser Ziele erreicht werden.

Access Points können Klassischerweise zwei Bänder parallel betreiben, mit 6 GHz werden es 3 Bänder bzw. Frequenzen. Auch die Endgeräte unterstützen mehrere Bänder bzw. Frequenzen, aber bisher nicht parallel.

802.11be wird hier neue Möglichkeiten bieten. Diese unterscheiden sich wie folgt:

SLO – Single Link Operation

Dies ist ein klassisches Endgerät, wie wir es heute einsetzten. Es hat ein Radio und kann auf diesem mit unterschiedlichen Frequenzen betrieben werden. Allerdings nur auf einer Frequenz zur Zeit.

Unser Endgerät ist auf einem Kanal verbunden und hat 5 Datenpakte zu übertragen. Der Client wird diesen einen Kanal prüfen und immer, wenn die Frequenz frei ist, übertragen.

MLO-STR – Simultaneous Transmission Reception

Dieses Endgerät verfügt über zwei Radios. Diese können unabhängig von einander Übertragen und Empfangen. Allerdings sind gewisse technische Voraussetzungen nötigt, so dürfen z.B. die Kanäle nicht zu nah zusammenliegen. Ähnliches kennen wir bereits von Dual 5GHz Access Points.

Unser Endgerät ist auf zwei Frequenzen verbunden und prüft diese unabhängig von einander. Sobald eine der Frequenzen verfügbar ist, überträgt das Endgerät auf dieser Frequenz. Wird innerhalb dieser Zeit die zweite Frequenz frei, kann direkt auf dieser das nächste Datenpaket übertragen werden oder auch empfangen.

MLO-NSTR – Non-Simultaneous Transmission Reception

Diese Endgeräte verfügen auch über zwei Radios. Allerdings ist das zweite Radio von dem ersten abhängig.

Unser Endgerät prüft auf dem ersten Radio die Frequenz. Ist diese frei, kann eine Übertragung erfolgen. Sollte die zweite Frequenz auch verfügbar sein, wird auch hier übertragen. Wird diese zweite Frequenz während der aktiven Übertragung erst frei, kann hier keine Übertragung erfolgen.

MLO-STR scheint somit den größten Vorteil zu bringen, ist aber auch in der Umsetzung am komplexesten. Somit kann es zum einen vielleicht erst später implementiert werden, aber auch deutlich mehr Leistung benötigten.

Es wird noch weitere Modi geben, aber dies sind die hauptsächlich diskutierten Szenarien.

Durch die parallele Nutzung unterschiedlicher Frequenzen und Bänder kann entsprechend:

  • Eine höhere Geschwindigkeit erreicht werden -> unterschiedliche Daten parallel übertragen
  • Eine höhere Zuverlässigkeit erreicht werden -> identische Daten parallel übertragen
  • Eine niedrigere Antwortszeit erreicht werden -> mehrere Frequenzen prüfen und die erste verfügbare nutzen
Auch lassen sich die Übertragungen zum Teil in beide Richtungen nutzen, Transmission and Reception. Sprich das Endgerät kann auf dem einem Radio / Frequenz Daten empfangen und auf dem anderen senden.

Multi-AP opertation

Multi-AP operation ermöglicht eine Koordination der Access Points über den MAC bzw. PHY Layer. Bisher können die Access Points über einen Controller koordiniert werden. Dies wird z.B. für 802.11r/k/v genutzt.

802.11be wird hier erweiterte Möglichkeiten für die RF Seite bieten.

Coordinated OFDMA

Mit OFDMA lässt sich das Spektrum in unterschiedliche Ressource Unites (RU) einteilen. So kann ein 20 MHz breiter Kanal auf bis zu 9 RU unterteil werden. Dies wird allerdings von einem Access Point gesteuert. Coordinated OFDMA soll es ermöglichen, dass zwei Access Points auf der selben Frequenz sich die RU teilen können. So kann zu selben Zeit ein Access Point 3 RU nutzen und ein anderer 6 RU.

Coordinated SR – Spatial Reuse

Das Spektrum kann nur für eine Übertragung genutzt werden. Wenn die Access Points sich jetzt aber absprechen können, ist es z.B. möglich, dass ein Access Points mit einer niedrigeren Sendeleistung übertragt und damit der andere Access Point parallel auf der selben Frequenz Daten übertragen kann.

 

Coordinated SR - Spatial Reuse

Auf diesem Bild können wir die Funktioner erkennen. Beide Access Points sind mit einer Sendeleistung von 15 dBm konfiguriert. Die Endgeräte A & B können also nicht gleichzeitig Daten empfangen oder senden. Wenn AP1 bei der Übertragung zu Endgerät A nun aber nur mit 6 dBm Sendeleistung arbeitet, ist Endgerät B nicht betroffen. Dementsprechend kann AP2 zur selben Zeit Daten mit Endgerät B auf der selben Frequenz übertragen.

Coordinated TDMA

Hierbei koordinieren die Access Points eine Übertragung auf dem selben Kanal, um sich nicht gegenseitig zu stören.

Dies sind die drei einfachere Modi. Es gibt aber noch zwei deutlich komplexere Szenarien.

Joint transmissions (D-MIMO)

Bisher werden Daten immer von einem Access Point zu einem Endgerät übertragen. Mittels MIMO können Daten aber über unterschiedliche Reflexionen übertragen werden. MRC ermöglicht es, dass ein Access Point die Daten über unterschiedliche Reflexionen übermittelt, dass diese zum selben Zeitpunkt am Endgerät ankommen. Maximal Ratio Combining, hierdurch empfängt das Endgerät die Daten mit einem stärkeren Signal. D-MIMO soll dies mit mehrere Access Points ermöglichen.

Befindet sich das Endgerät z.B. am äußerstem Rand zwischen zwei Access Points, können die Daten über zwei Access Points übertragen werden, dass diese zeitgleich bei dem Endgerät ankommen. Somit kann der RSSI und SNR erhöht werden.

Joint transmissions (D-MIMO) Unser Endgerät C ist mit dem AP1 verbunden und hat ein RSSI von -75dBm. Der AP2 befindet sich auch in Reichweite. Ähnlich dem MCR können nun beide Access Points die Daten übertragen, so das diese bei dem Endgerät exakt „in phase“ ankommen. Hierdurch entsteht für das Endgerät die rote Kurve, mit einem stärkeren Signal.

Coordinated Beam Forming (CBF)

Beamforming wird eingesetzt, um die Daten zielgerichtet an einen Client zu übertragen. So können Übertragungen parallel durchgeführt werden, wenn die Endgeräte entsprechende Positionen haben. Ein Access Point in der Mitte des Raums könnte in die vier Ecken parallel übertragen. Wären alle Endgeräte in einer Ecke, ist dies nicht möglich.

Jetzt habe ich im nächsten Raum das selbe Szenario. Die Übertragung könnten sich daher überlagern. Durch ein koordiniertes Beamforming kann ich die Übertragung zu den Endgeräten des anderen Access Points allerdings „nullifying“, beseitigen.

Zusammenfassung

Es gibt einen ersten Hersteller, der bereits mit Wi-Fi 7 Chips wirbt, Broadcom. Diese Chips sollen auch „Full compliance to IEEE and WFA Wi-Fi 7 specifications“ sein. Allerdings frage ich mich persönlich, wie dies möglich ist, wenn diese Spezifikationen noch nicht feststellen. Hier kann eigentlich nur im Nachgang über Software das ganze optimiert werden.

In der realen Welt haben bisher noch nicht alle Hersteller Wi-Fi 6E Access Points angekündigt, von den Lieferzeiten ganz zu schweigen. Es gibt Quellen, die berichten, dass Wi-Fi 6E ausgelassen wird, wegen der Lieferprobleme. Allerdings hört man von den meisten Herstellern andere Informationen.

David Coleman (Director of Wireless Networking at the Office of the CTO for Extreme Networks) hat auf z.B. auf der WLPC gesagt: Es gibt die Lieferschwierigkeiten für alle Chips, nicht nur Wi-Fi 6E, sondern genau so Wi-Fi6. Damit macht es keinen Sinn für Hersteller auf Wi-Fi 7 zu warten, weil die Wi-Fi 6E Chips nicht verfügbar sind. Die Wi-Fi 6 Chips haben die selben Probleme.

Technisch soll dieser Blog einen kleinen Einblick liefern, was mit Wi-Fi 7 alles kommen soll. Aber auch hier muss man das ganze nicht nur vom marketing sondern auch vom technischen Standpunkt betrachten. Die Features hören sich großartig an und sind für VR / AR und 8k Video Streaming auch nötig, aber wie viel auch direkt implementiert wird ist eine andere Frage.

Ich würde heute nicht auf Wi-Fi 7 warten, sondern mit Wi-Fi 6E loslegen.

Quellen

Wer sich noch tiefer mit dem Thema 802.11be befassen möchte, dem kann ich folgende drei YouTube Videos empfehlen, allerdings alle auf Englisch: